„Kapazitäten“ – „Studienplatzfianzierung“ – „Zugangsregeln” oder doch lieber „Orientierung“?

Eine kurze Auseinandersetzung mit StEOP, kapazitätsorientierter Studienplatzfinanzierung und der Frage, warum Orientierung die Regulierung des Zugangs über Aufnahmeverfahren ersetzen kann und sollte.

Ein kurzer Rückblick: Im Frühjahr 2011 wurde die „Studieneingangs- und Orientierungsphase“ geschaffen. Die Konsequenzen jahrelanger Unterfinanzierung der österreichischen Hochschulen sollten nicht durch notwendige Investitionen gelöst werden, sondern durch die Reduktion eines wesentlichen Kostenfaktors: der StudentInnen. In sämtlichen Studienfächern mussten „Einführungsmodule“ geschaffen werden, deren erfolgreiche Absolvierung zur Voraussetzung für das weitere Studium erklärt wurde. Die Anzahl der zulässigen Wiederholungen wurde beschränkt. Unter dem Deckmantel der Orientierung wurden Knock-Out Phasen (Ausleseverfahren) implementiert, die resultierenden Probleme sind weitgehend bekannt: StudienanfängerInnen werden systematisch am Studienfortschritt gehindert, das erste Semester dreht sich weitgehend um die Sicherung des weiteren Studiums anstelle fachlicher Auseinandersetzung. Durch die rigiden Bestimmungen steht seither vor allem am Beginn jeden Studiums „Orientierung“ drauf, drinnen sind vorwiegend Knock-Out und bürokratische Hürden.
Die Fortsetzung folgte auf dem Fuß: Rund ein Jahr nach der StEOP begann die Diskussion um die so genannte „kapazitätsorientierte Studienplatzfinanzierung“. Aus dem Bundesministerium für Wissenschaft und Forschung heißt es, dabei handle es sich um den „großen Wurf“, der schon seit Jahren überfällig ist. Nun würde die Finanzierung der Universitäten auf eine solide Grundlage gestellt, die Unis sollen für jeden anzubietenden Studienplatz auch das nötige Geld erhalten. Was auf den ersten Blick ganz vernünftig klingt, ist auf den zweiten ebenso eine Chimäre wie die Orientierung im obigen Beispiel. Die budgetären Probleme der Universitäten sollen einmal mehr nicht dadurch gelöst werden, dass dringend benötigte Mittel bereit gestellt werden, sondern durch die Begrenzung der Anzahl der Studierenden. Es bleibt also alles beim Alten, nur darf jetzt in quantitativen und qualitativen Auswahlverfahren um Studienplätze gekämpft werden, der Mechanismus zur Ausweitung auf alle Studienfelder wurde gleich mitgeliefert. Im Rahmen von Multiple-Choice Tests, Aufnahmegesprächen und Selfassessments sollen nunmehr „die Geeignetsten“ gefunden werden, um das jeweilige Fach zu studieren.

Offene oder geschlossene Hochschule?

Wer die Diskussion um bildungspolitische Maßnahmen der letzten Jahre mitverfolgt hat, weiß, dass dem Ruf nach Zugangsbeschränkungen meist die „Erhaltung des freien Hochschulzugangs“ entgegen gesetzt wird. Grundlegend hierfür ist die Annahme, dass der Zugang zur Uni über die Matura all jenen ein Studium erleichtert, die zu den so genannten „bildungsfernen Schichten“ gezählt werden. Wer davon ausgeht, dass Bildung vor allem zur eigenen Entwicklung dienen oder auch die Möglichkeit zur Reflexion und Kritik eröffnen soll, sollte sich darüber hinaus auch dem Anspruch verpflichten, dass über Bildung (und dem Zugang zu dieser) auch gesellschaftliche Verhältnisse in Frage gestellt und verändert werden können. Wer sich also scheinbaren budgetären Zwängen, die zur Rechtfertigung der Studienplatzbewirtschaftung dienen, nicht unhinterfragt beugen will, muss auch die Forderung nach Zugangsbeschränkungen in diesen Kontext setzen: Erstens sind alle „Zugangsregeln“ ein Instrument um Menschen den Zugang zu Bildung zu verweigern bzw. sie davon auszuschließen. Weiters ist für jedes noch so „objektive“ Verfahren belegt, dass Kinder aus AkademikerInnenfamilien überdurchschnittlich gut abschneiden, während andere nach Ablauf der Verfahren massiv unterrepräsentiert sind. Das liegt unter Anderem daran, dass Kinder von AkademikerInnen andere Vorraussetzungen in der Vorbildung, aber auch in der Prüfungsvorbereitung mitbringen, und diese Verfahren vor allem auch auf das abzielen, was gerne als „Soft-Skills“ bezeichnet wird.
Selbstdarstellung oder Selbsteinschätzung sind nur zwei Beispiele für Faktoren die in Aufnahmeverfahren stark zum Tragen kommen, aber aufgrund von Sozialisation massiv ungleichmäßig über die Gesellschaft verteilt sind, und zwar nicht nur was den familiären Hintergrund, sondern etwa auch das Geschlecht betrifft. Wenn Bildung ein Vehikel sein soll, um die Verhältnisse zu hinterfragen, geraten zuvorderst Verwertungslogik, Selbstausbeutung oder Prekarisierung ins Blickfeld, ebenso die Überlegung wie im Rahmen des universitären Studiums Freiräume geschaffen werden können, um diese in Frage zu stellen. So wichtig es ist, diese Perspektive einzubringen, so notwendig ist es auch, auf einer sehr pragmatischen Ebene einzugreifen und Szenarien zu erarbeiten, wie etwa ein „aktiv offener Zugang“ zur Universität im Lichte der oben geschilderten Entwicklungen gestaltet werden kann. Dreißig Jahre freier Hochschulzugang alleine haben bekanntlich nicht dazu geführt, dass für den Unizugang „Chancengleichheit“ hergestellt wurde.

Gegen jegliche Auswahlverfahren

Wenn Bildung einen emanzipatorischen Anspruch haben soll, muss der Zugang zu den Unis aktiv geöffnet, die Wahl des jeweiligen Studiums den AnfängerInnen selbst überlassen werden. Kompetenzen, Fähigkeiten, Wissen und was auch sonst immer, sollen im Studium erworben werden – eigene „Stärken“ nach Möglichkeit ausgebaut und kreativ zum Einsatz gebracht, eigene „Schwächen“ akzeptiert bzw. bewusst gemacht und reflektiert werden. Auch wissenschaftliche (Aus)bildung ist in weiten Teilen und auf unterschiedlichen Ebenen „Training“ und nicht der Vollzug angeborener „Eignung“. Wenn im Lichte der vergangenen Jahre und der verfehlten Bildungspolitik nunmehr der Ruf nach transparenten Aufnahmeverfahren, fairen Bedingungen und offen gelegten Regeln laut wird, ist dies nicht nur abzulehnen, vielmehr muss auch überlegt werden, wie ein offener Studienanfang überhaupt gestaltet werden könnte.
Ein Blick auf die Zahlen von StudienanfängerInnen und -abbrecherInnen innerhalb der ersten Semester zeigt, dass der überwiegende Teil aller AbbrecherInnen unter Anderem deshalb das ursprünglich gewählte Studium verlassen, weil sie zu der Einsicht gelangt sind, dass es sich bei diesem Studium in irgendeiner Form nicht um „das Richtige“ handelt. Auch dieser Zustand ist massiv sozial selektiv: Die Möglichkeit, nach ein bis zwei Jahren noch das Studium zu wechseln, wird oftmals durch finanzielle Probleme vereitelt, die Konsequenz ist daher oft der Abbruch. Beispielhaft sind hierfür vor allem die „besonders überlaufenen Massenfächer“.
Was es also nach wie vor braucht, ist das was seit Jahren überall draufsteht, aber leider nach wie vor nirgends drinnen ist: Orientierung.
Diese kann zwar nicht davor bewahren, endlich ordentlich Geld in den Bildungssektor zu investieren, aber sie kann dazu beitragen, dass nicht enorm viel Zeit, Aufwand und vor allem Ressourcen investiert werden müssen, um die endgültige Studienwahl zu treffen. In der Folge werden einige Maßnahmen vorgestellt, die diese Aufgabe einigermaßen gut erfüllen könnten.
Die dafür notwendigen Mittel sind überschaubar; vermutlich würden jene Summen reichen, die gegenwärtig in die alles andere als billigen Auswahlverfahren investiert werden.

Fächerbündel für SchülerInnen und AnfängerInnen

Wer einen Blick in eine österreichische Maturaklasse wirft, wird festellten, dass sich die wenigsten unter den angestrebten oder ausgeschlossenen Studienfächern etwas vorstellen können. Bis auf Wirtschaft, Jus, Medizin und Publizistik ist über den Inhalt der bereits besuchten Schulfächern hinaus nur wenig bekannt. Was an Universitäten tatsächlich gelehrt wird, ist ein noch viel größeres Mysterium.

Was könnte eine Uni wie die Uni Wien tun, um dieser Situation entgegen zu wirken? Neben bestehenden Beratungsmöglichkeiten muss ein Angebot geschaffen werden, das angehenden StudentInnen die Chance gibt, sich einen Überblick über bestehende Fächer zu verschaffen und Gelegenheiten bieten, sich diese im Studienalltag anzusehen (siehe unten). Schon vor der Inskription muss es die Möglichkeit geben, sich realitätsnah mit dem Studium auseinanderzusetzen.
Wer noch vor der Studienwahl die Gelegenheit bekommt sich Lehrveranstaltungen anzusehen und sich mit studienspezifischen Inhalten mehrerer Fächer auseinanderzusetzen mitunter leichter eine Entscheidung treffen oder sich überhaupt zum Studium entschließen, vor allem dann, wenn das persönliche Umfeld keine Erfahrungen aus der eigenen „guten alten Studienzeit“ einbringen kann. Wer diesen Ansatz weiter denkt, kommt nicht umhin, das was momentan StEOP heißt, zu Gunsten anderer Modelle abzuschaffen. Wenn Universitäten Interessierte und StudienanfängerInnen mit fachspezifischen Inhalten konfrontieren und den Blick über den Tellerrand des begonnenen Faches hinaus ermöglichen, können ohne kostenintensive Auswahlverfahren und den Ausschluss von StudienanfängerInnen“ jene „Steuerungseffekte“ erzielt werden, auf die Mangels sinnvoller Initiativen seit Jahren gewartet und gehofft wird. Gesetzt werden können erste Schritte an den Universitäten selbst. Ausnahmsweise könnte hier die „Autonomie“ dazu dienen, tatsächliche Verbesserungen herbeizuführen, um den Einstieg ins Studium zu erleichtern.

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