Oder: Warum *Männer keine Opfer sind
Alle Jahre wieder – meistens pünktlich zu den ÖH-Wahlen – zeigt sich, dass mit dem Thema Feminismus im ansonsten recht eintönigen Forderungsbrei der Fraktionen politisches Profil gezeigt werden kann. Dabei fallen neben den linken Fraktionen, deren Anrufungen nach mehr Förderung von Studentinnen (sowie von Frauen in der Wissenschaft generell) und stärkerer Verankerung von feministischen bzw. frauen- und geschlechterforschenden Thematiken zum Standardrepertoire ihrer Programminhalte gehören, zunehmend defensivere und aggressivere Töne der konservativen und rechten Studierenden auf, die im Kontext eines zunehmenden antifeministischen (Medien-)Diskurses stehen.
Dabei liegen die Fakten offen am Tisch: „Wo die Problembereiche liegen, wird (…) einmal mehr deutlich: Während Frauen im – mittlerweile dreigliedrigen – Studium zahlenmäßig dominieren, sinkt ihr Anteil bis hin zur Ebene der Professuren drastisch ab“ [1], heißt es zum Beispiel in einer aktuellen Studie zur Gleichstellung von *Frauen und *Männern der Universität Wien. Gender Mainstreaming – wie es dieser Publikation zugrunde liegt – ist wahrlich nicht die Speerspitze radikalen Feminismus und möchte weniger die den Ungleichheitsverhältnissen zugrunde liegenden Strukturen angreifen und verändern, als lediglich [2] den Kreis der Privilegierten um *Frauen und unter Umständen auch einigen glücklichen Wissenschaftler*innen mit Migrationshintergrund erweitern.
Neben Förderungsprogrammen ist das sichtbarste Zeichen solcher Politiken vielleicht die Verwendung sogenannter geschlechtergerechter Sprache, die im universitären Kontext durchaus üblich geworden ist. Dabei gilt auch hier: Die Verwendung des Binnen-I’s allein zeigt noch nicht unbedingt eine feministische oder kritische Haltung der Autor*in an, sondern weist lediglich auf den Umstand hin, dass Diskriminierung im (akademischen?) Umfeld nicht mehr ganz so offensichtlich ausgeübt werden kann.
„Genderterror“ und benachteiligte Männer
Angesichts eines eigentlich ernüchternden Resümees feministischer Kämpfe nach fast fünfzig Jahren „Zweite Frauenbewegung“ – Lohnschere, gläserne Decke, Doppelbelastung, rape culture (um nur weniges zu nennen) – ist es dennoch nur scheinbar erstaunlich etwa im Wahlprogramm der Aktionsgemeinschaft (AG) für die ÖH-Wahl 2013 folgendes zu lesen. Die AG fordert als letzten Punkt in ihren „10 Geboten“:
„Eine Wahlmöglichkeit der Studenten für Genderkurse in den Studienplänen, sowie die ausdrückliche Klarstellung, dass fehlendes Gendern keinen Einfluss auf die Benotung wissenschaftlicher Arbeiten haben darf. Hier muss die Leistung im Vordergrund stehen!“ [3]
Als geübte Berufsemanze ist die Autorin irritiert. Wahlmöglichkeit für „Genderkurse“? Im Gegensatz etwa zur Johannes Kepler Universität Linz, in der Frauen- und Geschlechterforschung als Querschnittsmaterie in allen Curricula verankert ist, finden sich leider in nur sehr wenigen Studienplänen der Universität Wien verpflichtende Lehrveranstaltungen dazu.
Und Gendern statt „Leistung“? Obwohl die Theorie durchaus für sich spricht, dass wer nicht „gendert“, auch sonst nichts wirklich Geistreiches „leistet“, entspricht die hier formulierte Befürchtung (die sich in der Forderung ausdrückt) ganz und gar nicht der Realität universitärer Lehre.
Obwohl es aber nun verführerisch wäre, achselzuckend über diese Forderungen mit einem „Wenn es doch nur so wäre!“ hinwegzugehen, passen sich diese in aktuelle und medial weit verbreitete anti-feministische und reaktionäre Argumentationsdiskurse ein. Besonders interessant ist dabei eine neue vertretene „männliche Opferideologie und die dazugehörende ,Berufung auf Gleichheit für die benachteiligten Männer‘, das heißt das Eintreten für umfassend definierte Männerrechte.“ [4] Es ist ein gängiges Argumentationsmuster der sogenannten Männerrechtsbewegung, sich als die Verlierer der Emanzipation von *Frauen darzustellen. Aber anstatt dabei im Blick zu haben, dass die herrschenden Geschlechterverhältnisse mit ihren Zumutungen *Männer ebenfalls einschränken (sie dennoch aber als Gruppe privilegieren), werden diese – etwa in Gestalt von Buben im angeblich weiblichen Kosmos Schule – als Opfer einer zu weit gegangen und falsch verstandenen Emanzipation imaginiert.
In ähnliches Horn stoßen die AGgent*innen [5] , wenn sie postulieren, dass Student*innen aufgrund einer nicht-geschlechtergerechten Sprache benachteiligt würden. Dabei bedienen sie nicht nur das Argumentationsmuster der Ungleichbehandlung, sondern unterstellen zudem, dass *Frauenförderung notwendigerweise leistungsfeindlich sei. Ein Klassiker im antifeministischen Diskurs. Dabei wird die Angst, die eigenen Domänen – hart erworben durch Männerbünde und männlichem, akademischem Habitus auf Kosten des Ausschlusses anderer wie *Frauen, Migrant*innen oder jener aus bildungsferner Schichten (möchte die Autorin hinzufügen) – zu verlieren, in Zeiten der Wirtschaftskrise und der damit einhergehenden Engpässe etwa am Arbeitsmarkt durchaus ihre Rolle spielen. Anzumerken bleibt hier noch, dass es auch keineswegs so ist, dass *Frauen sich diese Positionen nicht ebenfalls zu eigen machen können und von ihnen profitieren.
Die scheinbar harmlose Forderung also, die die Aktionsgemeinschaft in ihren „10 Geboten“ formuliert hat, bedeutet, dass selbst die Gender Mainstreaming-Forderungen nach Verankerung von Frauen- und Geschlechterforschung in Curricula und der Anwendung geschlechtergerechter Sprache bedrohlich ist. Bedrohlich ist sie, weil in den Gegenständen und in der Sprache jene sichtbar werden, die bislang unsichtbar blieben. Und das heißt nicht zuletzt, dass auch *Männer und deren Positionen nicht mehr als die unhintergehbare Norm zum Vorschein treten Aber von der AG kann wohl auch nicht erwartet werden, herrschaftskritisch und progressiv zu agieren.
[1] Waltraud Schlögl: „Dünne Luft und langer Atem. Geschlechterverhältnisse an der Universität Wien.“ In: Gender im Fokus. Frauen und Männer an der Universität Wien, 3. Broschüre der Abteilung Frauenförderung und Gleichstellung der Universität Wien, 2011, S. 6. Online abrufbar unter: http://frauenfoerderung.
univie.ac.at/fileadmin/user_upload/personalwesen/05_gender_im_fokus_kern_
homepage.pdf. Zuletzt abgerufen am 15.04.2013
[2] Keineswegs bestritten werden soll die Notwendigkeit derartiger Anliegen und die Hindernisse und Widerstände, die diesen entgegengebracht werden. Allerdings sind diese in ihrem Kern systemaffirmativ und daher nicht notwendigerweise gesellschaftsverändernd.
[3] „10 Gebote für die Aktionsgemeinschaft“: http://www.aktionsgemeinschaft.at/oeh-wahl-2013/10-gebote-fuer-die-aktionsgemeinschaft. Zuletzt abgerufen am 15.04.2013.
[4] Christa Hämmerle: „Genderforschung aus neuer Perspektive? Erste und noch nachfragende Anmerkungen zum Neuen Maskuli(ni)smus. In: L’Homme. Zeitschrift für Feministische Geschichtswissenschaft 2/2012. Online abrufbar auf eurozine.com unter: http://www.eurozine.com/articles/2013-03-20-hammerle-de.html. Zuletzt abgerufen am 15.04.2013.
[5] Selbstbezeichnung von Aktivist*innen der AG.